Auf seiner Sitzung am 18. Februar 2021 hat der Sinziger Stadtrat das weitere Vorgehen in Sachen NVZ beraten. Um die Überlegungen des "Pro" und "Kontra" zu verdeutlichen, geben wir nachfolgend die Rede von Hartmut Tann, Vorsitzendem der SPD-Stadtratsfraktion, auf der Sitzung des Stadtrates wieder.
Sehr geehrter Herr Erster Beigeordneter Adams,
sehr geehrte Beigeordnete,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Sinzig,
sehr geehrte Ratskolleginnen und -kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren von der Presse,
sehr geehrte Gäste,
nun ist es mal wieder so weit: Der Stadtrat beschäftigt sich wiederholt und erneut mit der Planung eines Nahversorgungszentrums (NVZ) auf dem ehemaligen "Rick-Gelände". Das NVZ war bereits mehrfach Thema im Stadtrat, im Ältestenrat, in mehreren Ausschüssen, in den Fraktionen, in den Ortsvereinen und in Bürgerversammlungen. Die Vorschriften muten einem Investor ein Verfahren zu, das nun mehr als fünf Jahre andauert.
Im unmittelbaren Vorfeld der heutigen Sitzung gab es teils umfangreiche Presseberichterstattungen und Statements, auch von Verfahrensbeteiligten. An mancher Stelle fragte man sich unwillkürlich "Warum angesichts der jahrelangen Verfahrensdauer erst jetzt?".
Nicht nur bei den Bürgern, auch innerhalb der Parteien und den meisten Fraktionen wird das Vorhaben ganz unterschiedlich bewertet, da macht die SPD keine Ausnahme. Es hat zwischenzeitlich zahlreiche Gutachten gegeben, deren Inhalte sind in den Gremien hinlänglich bekannt gemacht worden, diese müssen hier nicht wiederholt werden; dass sich die Gutachten teilweise widersprechen, macht es der Sinziger Politik nicht einfacher. Auch die Genehmigung des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes lässt weiter auf sich warten.
Die SPD hat sich intensiv mit dem Thema NVZ auseinandergesetzt. Bereits im Herbst 2017 wurde das Projekt in einer Versammlung den Mitgliedern der SPD vorgestellt. Im internen Forum wurden seitdem Meinungen ausgetauscht. Diese reichten von völliger Ablehnung des NVZ bis zu dessen Unterstützung, insbesondere nach der kürzlichen Überarbeitung der Pläne.
Was sagen die Befürworter in den Reihen der SPD? Beispielhaft seien folgende Überlegungen genannt:
• Die neuen Pläne sind im Sinne politischer Vorgaben ergänzt und im Ergebnis ein qualitativer Fortschritt, auch im Hinblick auf Klimaschutzbelange.
• Die Innenstadt kann durch klare Vorgaben beim Sortiment vor existenzieller Konkurrenz geschützt werden.
• Insbesondere der neu vorgesehene gastronomische Bereich an der Ahr kann Gäste anlocken, Sinziger genauso wie Touristen; eine Gastronomie ist mit einem NVZ einfacher zu vereinbaren als mit einer Wohnbebauung.
• Der Bereich kann zudem auch (ganzjährig) Kultur- und Freizeitmöglichkeiten eröffnen, etwa durch eine kleine Bühne oder Spielgeräte für Kinder.
• Die Stadt bekommt nun endlich die geforderte direkte Anbindung für Radfahrer und Fußgänger von der Ahr an die Innenstadt.
• Edeka erhält mit dem NVZ die dringend notwendige Gelegenheit zur Modernisierung; bei einer Einstellung des Bebauungsplanverfahrens wird es EDEKA nach eigenem Bekunden schon in wenigen Jahren nicht mehr in Sinzig geben.
• Eine Verlagerung von Edeka kann zudem die neue Überplanung des bisherigen Edeka-Geländes im Sinne der Stadtentwicklung auslösen.
• Angesichts vieler Planungen in der jüngeren Vergangenheit für Wohngebiete hat der ursprüngliche große Bedarf an Flächen etwas nachgelassen.
• Künftige Investoren könnten abgeschreckt werden, sich in Sinzig zu engagieren.
• Belastbare Zahlen für die Alternative einer "Wohnbebauung" liegen nicht vor.
Gegner des NVZ bringen zum Beispiel folgende Argumente vor:
• Auf dem Rick-Gelände kann innenstadtnah und fußläufig zum Bahnhof mehr Wohnraum geschaffen werden, in Anbetracht der Nähe zu Schulen und Kindestagesstätten insbesondere für junge Familien.
• Dafür hat die SPD konkrete Vorschläge: Energiesparende Wohnbauten, Herstellen einer Quartiersituation mit sozialer Anbindung der Bewohner, Grünflächengestaltung im Anschluss an bestehende naturräumliche Gliederungen (Ahr!), zentrale Parkplätze unter der Hochspannungsleitung in einer ansonsten verkehrsarmen Wohnsiedlung; statt einer Gewerbe- wird eine Wohn- und Gartenlandschaft errichtet.
• Den Anliegern sind die Bebauung u. a. mit einer langen und hohen Mauer sowie Lärm und Verschmutzung insbesondere durch zunehmenden Straßenverkehr nicht zumutbar; der sich bisher auf mehrere Standorte verteilende Straßenverkehr konzentriert sich dann auf ein einziges Gebiet.
• Die häufig angeführte Gefahr, Discounter könnten Sinzig verlassen, wird angesichts der verkehrsgünstigen Lage an den jetzigen Standorten und der zuletzt getätigten Modernisierungsmaßnahmen nicht gesehen.
• Einkaufsmöglichkeiten sind in Sinzig genügend vorhanden, dies ist auch gutachterlich belegt.
• Gewerbesteuereinahmen werden u. a. angesichts der steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten nicht wesentlich anfallen; eine Wohnbebauung kann dagegen das Aufkommen der Einkommensteuer erhöhen.
• Das NVZ führt zu einer Konfrontation mit den Nachbarkommunen und nicht zu einer Kooperation.
• Wir brauchen Investoren, die unsere schöne Stadt besuchbar machen – zum Beispiel durch ein Hotel oder ein Hostel. Dies würde auch der Innenstadt helfen.
Diese beispielhaft aufgeführten Überlegungen und weitere Gesichtspunkte (z. B. aus den zahlreichen Gutachten) haben die Mitglieder der SPD-Fraktion für sich unterschiedlich gewichtet und bewertet. Dies wird in den meisten anderen Fraktionen ähnlich sein. Wir halten im Ergebnis sowohl eine Zustimmung als auch eine Ablehnung des Vorhabens für grundsätzlich vertretbar. Insofern akzeptieren wir, dass die Ratskolleginnen und -kollegen zu einer anderen Meinung kommen können als jeweils unserer eigenen.
Die SPD-Fraktion wird das Vorhaben heute mehrheitlich ablehnen.